Die Nachhaltigkeit in der Fashionwelt sollte gestern auf der Mailänder Fashion Week geehrt werden. Stattdessen blieben die Luxus-Giganten mehr oder weniger unter sich – und haben sich über die Deppen, die sich ernsthaft um das Thema bemühen, womöglich ins Fäustchen gelacht. Ein Kommentar!
Die Schönen und Reichen trafen sich gestern am 25. September 2017 zum smarten Stelldichein in der Mailänder Scala. Passend zur Milano Fashion Week erschien Naomi Campbell in einem silbernen Traum samt Marabufedern am Saum (really?) von Atelier Versace, Dakota Johnson kam in Gucci, Giorgio Armani sogar Arm in Arm mit Lauren Hutton und Zoe Saldana, beide – wen wundert’s – in Armani Privé.
Anlass war die Premiere des Green Carpet Fashion Events, bei dem diverse Awards zu Ehren der Nachhaltigkeit und Fairness in der Modebranche verteilt werden sollten. Initiiert hatte dies Livia Firth, Filmproduzentin, Gründerin von Eco Age lmtd. und mehr als nur Ehefrau von …
Ein paar der glücklichen Preisträger seien hier genannt: Tom Ford erhielt von Anna Wintour den Preis für „The Best International Designer Supporting Made In Italy“, Arizona Muse ehrte Gucci mit dem ”The Supply Chain Innovation Award“ und wenn man liest, wer alles mit dem „CNMI Recognition of Sustainability Award“ ausgezeichnet wurde – unter anderen Giorgio Armani und Miuccia Prada – kommen einem fast die Tränen.
Allerdings nicht vor Rührung, sondern vor Wut! Ein Schlag ins Gesicht der vielen kleinen, ehrlichen und sehr ambitionierten Marken, denen die Nachhaltigkeit in der Modebranche wirklich und wahrhaftig am Herzen liegt – und die auf fette Gewinne und wie’s scheint auch Ehre verzichten, weil sie sich morgens noch guten Gewissens im Spiegel betrachten wollen.
Nachhaltigkeit ist mittlerweile „in“
Bruno Pieters, belgischer Modedesigner, der seine Sporen unter anderem bei Martin Margiela und Christian Lacroix verdient hat, drückt sein ehrliches Erstaunen via Facebook aus: „Prada, Gucci, Valentino und andere große Unternehmen, die allesamt bekannt für ihre Massenproduktion von Luxus-Lederwaren sind (mit der giftigsten Herstellungskette in der Modebranche) erhalten ‘Sustainability’-Preise von Livia Firth?“, fragt sich Pieters zu Recht, der 2012 Honest By gegründet hat, das wohl transparenteste Fashion Label überhaupt, bei dem sich die Herstellungskette von der ersten Baumwollfaser bis zum letzten Knopf nachvollziehen lässt. „Ich möchte wirklich alle Anstrengungen und Projekte gern unterstützen, die helfen, diese Branche zum Besseren zu ändern – aber das hier verwirrt mich schon sehr.”
Nicht nur Dich, lieber Bruno! Aber klar ist: Nachhaltigkeit ist mittlerweile „in“ – und damit lässt sich, wenn man auch mal Fünfe gerade sein lässt (und ein wenig Greenwashing betreibt), jede Menge Geld verdienen. Also wird hier eine kleine Capsules-Kollektion an Biobaumwoll-T-Shirts in den Handel gebracht oder da mal eine drollige Dritte-Welt-Kooperative unterstützt etc.
Zufrieden ist dann auch die neuerdings “nachhaltig” lebende Millionärsgattin, Stammkundin ebendieser Marken.
Ehrlich sind die Dummen?
Selbstverständlich hat auch jedes große Luxuslabel inzwischen einen Chief Sustainability Officer. Marie-Claire Daveu, die seit rund fünf Jahren diesen Posten bei Kering besetzt, unter dessen Dach sich Marken wie Bottega Veneto, Gucci oder Yves Saint Laurent tummeln, kann davon ein Lied singen: „Nachhaltigkeit ist das wichtigste Thema unseres Jahrhunderts.” Absolut! Man sollte es allerdings auch wirklich ernst damit meinen.
Der Green Carpet Fashion Award ist auf diese Weise jedenfalls demotivierend und wirklich enttäuschend für alle, die sich ernsthaft und tiefgründig um ein Umdenken in Sachen Sustainability & Co verdient machen. Kurz: Er ist überflüssig.
Was bleibt? Ehrlich sind mal wieder nur die Dummen? Auch stellt sich die Frage, worum es den ohnehin schon gerühmten Reichen eigentlich geht. Augenscheinlich um noch mehr Ruhm und noch mehr Geld.
Unsere Bitte, unser Lob und unser Appell geht in jedem Fall an Bruno Pieters und seine vielen Mitstreiter: Bitte lasst Euch nicht entmutigen! Macht einfach weiter und gebt nicht auf!
Selfies, Smileys, Standing Ovations – so sieht’s aus, wenn sich die Haute Volée der Nachhaltigkeit in der Mailänder Scala trifft:
Foto: https://www.instagram.com/cameramoda/