Wie leben Textilarbeiterinnen in Bangladesh, Kambodscha und Indien? Und wie lassen sich ihre Lebensumstände verbessern? Mit diesem Thema beschäftigt sich ein einjähriges Forschungsprojekt, das die MFO (Microfinance Opportunities) gemeinsam mit Fashion Revolution sowie der C&A Foundation erarbeitet haben. Die Ergebnisse wurden nun veröffentlicht.
Wie undurchsichtig und ausbeuterisch die Modeindustrie arbeitet, musste C&A erst jüngst erleben, als herauskam, dass das Unternehmen unter anderem in chinesischen Gefängnissen für Dumping-Löhne arbeiten lässt. „Die Modeindustrie braucht dringend eine revolutionäre Veränderung“, heißt es prompt von Fashion Revolution, das sich schon seit Jahren genau dafür engagiert.
Schon bei den Löhnen geht es los: Textilarbeiterinnen in Bangladesh erhalten in einer durchschnittlichen 60-Stunden-Woche nur umgerechnet 0,95 US-Dollar Stundenlohn; das entspricht nicht annähernd dem Mindestlohn. Selbst wenn man die niedrigen Lebenshaltungskosten in Bangladesh mit einbezieht, liegt dies weit unter dem dortigen Existenzminimum.
In Kambodscha sieht es nicht viel besser aus, denn bei einer 48-Stunden-Woche verdienen die Arbeiterinnen hier 2,53 US-Dollar pro Stunde. Überstunden werden verlangt aber nicht vergütet.
Spitzenreiter mit Einschränkungen ist tatsächlich Indien, wo der Mindestlohn von umgerechnet 2,27 US-Dollar zwar ausbezahlt wird und sogar Zugang zu staatlichen Versicherungen samt Rentenansprüchen besteht. Haushalt und Familie können von diesem Gehalt allerdings nicht bestritten werden und die hart arbeitenden Frauen sind auf ein zusätzliches Gehalt vom Ehemann unbedingt angewiesen.
Außerdem gibt es gerade in Indien erhebliche Beschwerden über Belästigungen und schikanöses Verhalten von männlichen Vorgesetzten. Diese Informationen sind selbstverständlich anonym weitergereicht worden, denn ihren Job möchte keine der befragten Textilarbeiterinnen gefährden.
Bitte nicht in andere Länder ausweichen!
Das Problem: Keine Aufträge mehr an die betreffenden Länder zu vergeben, ist keine Lösung. Denn Arbeit bedeutet Geld, also die Möglichkeit, irgendwie seine Miete und seine Nahrung bezahlen zu können. Ein Ausweichen großer Textilgiganten in andere Billiglohnländer – Afrika gilt zum Beispiel als neuer „heißer“ Kontinent, bei dem man noch billiger fertigen lassen kann – ist also nicht wünschenswert.
Was also tun? Mit den Garment Workers Diaries wollen die Initiatoren ein insgesamtes Umdenken in die Wege leiten. Nur mit Transparenz in der gesamten Lieferkette können positive Veränderungen auch wirklich vorangehen. Die emotionale Nähe, die sich bei uns auftut, wenn wir in den Diaries über das Leben der Textilarbeiterinnen lesen, die draufzahlen, weil wir billige textile Massenware verlangen, kann vielleicht dazu beitragen.
Auch sollen – das ist zumindest das Ziel – Marken, Hersteller, Einzelhändler aber auch Regierungen auf das Thema aufmerksam werden und sich verstärkt engagieren. Sie sind herzlich aufgefordert, sich dem neuen Bangladesh-Abkommen anzuschließen, das in knapp 90 Tagen ausläuft.
Alle Fair-Fashionistas/os, also Modekonsumenten mit echtem Mode-Bewusstsein, sollten ihre Lieblingsmarken derweil höchstpersönlich auffordern, die konkrete Anzahl ihrer Textilarbeiter und -arbeiterinnen zu nennen, die tariflich wirklich korrekt bezahlt wird. Mal sehen, ob sich einer traut?!
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